Zum Schwerpunkt „Grundlagenforschung zu metakognitiven Aktivitäten“ sind folgende Projekte durchgeführt worden oder noch in Bearbeitung:
1 "Analyse von Unterrichtssituationen zur Einübung von Reflexion und Metakognition im gymnasialen Mathe-
matikunterricht der SI"
(Prof. Cohors-Fresenborg, 2001–2004)
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Beschreibung: Nach TIMSS und PISA 2000 ist die Förderung des mathematischen Denkens und deshalb der kognitiven Aktivierung der Lernenden in den Mittelpunkt der Bemühungen zur Verbesserung der Qualität des Mathematikunterrichts gerückt. In der internationalen mathematikdidaktischen Diskussion gelten Maßnahmen, welche die metakognitiven Kompetenzen der Lernenden fördern, als wichtigstes Instrument, die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Mathematikunterricht zu erhöhen. Metakognition wird dabei meist in drei Kategorien dekomponiert: das Planen (z.B. von Problemlöseschritten, des Einsatzes und der Abfolge mathematischer Werkzeuge), das Monitoring (z.B. das Überwachen von mathematischen Umformungen oder Argumentationen, das Überwachen der Zielerreichung) sowie die Reflexion (z.B. über mathematische Begriffe und Werkzeuge, über das bisherige Vorgehen, über die Diskrepanz zwischen Darstellungen und Vorstellungen).
In diesem Vorhaben ging es einmal darum, solche Unterrichtsszenarien zu entwickeln, die der Verstärkung metakognitiver Aktivitäten förderlich sind. Dazu wurde u.a ein neues Aufgabenformat entwickelt und gezeigt, wie unter Einsatz solcher Aufgaben verstärkt metakognitive Aktivitäten ablaufen, wie auch durch geeignete Hausaufgabenformate solche Aktivitäten angeregt und wie durch passende Klassenarbeitsaufgaben solche metakognitiven Kompetenzen der Lernenden auch abgeprüft werden können.
Im zweiten Schwerpunkt ging es darum, mit videodokumentierten Unterrichtsbeispielen die metakognitiven Aktivitäten genauer zu analysieren und ihre Wirkungsmechanismen aufzudecken. Da dem Zusammenspiel von metakognitiven Aktivitäten und einer praktizierten diskursiven Unterrichtskultur eine besondere Bedeutung zukommt, wurde im Projekt der Fokus gegenüber dem Antrag erweitert um den Aspekt der Diskursivität und ihre Bedeutung für das Zustandekommen und die Qualität metakognitiver Aktivitäten.
Es wurde ein Kategoriensystem entwickelt und erprobt, mit dem detailliert metakognitive und diskursive Aktivitäten – sowohl von Lehrenden als auch von Lernenden - im Mathematikunterricht klassifiziert werden können. Dazu gehören auch verschiedene Auswertungsmöglichkeiten, die die Herausarbeitung spezifischer Unterrichtsskripts ermöglichen. Die Anwendung dieses Kategoriensystems ist auf ganz unterschiedliche Arten von Mathematikunterricht erfolgt, von der Grundschule bis zur gymnasialen Oberstufe.
Im Laufe der umfangreichen Analysen von Schülereigenproduktionen und von Unterrichtsvideos wurde deutlich, dass das Augenmerk stärker – als in der internationalen Debatte üblich - darauf zu richten ist, inwieweit Lernende ihre eigenen Rechnungen bzw. Argumentationen überwachen. Dies gab Anlass, in einem gegenüber dem Projektantrag zusätzlichen Schwerpunkt den Zusammenhang von Monitoring-Aktivitäten und (mathematischer) Leistung zu untersuchen. Hierbei ergaben sich in mehreren Untersuchungen vergleichbare - in ihrer Deutlichkeit eher überraschende - Ergebnisse:
In einer Untersuchung mit Schülergruppen unterschiedlicher Leistung konnte gezeigt werden, dass die Unterschiede in der praktizierten Kompetenz, vorgelegte Termumformungen auf ihre Korrektheit zu überprüfen, sowohl mit den Unterschieden in der Mathematikleistung als auch mit den Unterschieden in Selbstwahrnehmung und Wertschätzung von Monitoring korrespondieren.
Bei der Analyse der Ergebnisse von PISA 2000 konnte durch die Einbeziehung von für die Aufgabenlösung notwendigen Monitoring-Aktivitäten innerhalb des schwierigkeitsgenerierenden Merkmals Kognitive Komplexität eine bemerkenswerte Erklärung der Varianz bei den empirisch gemessenen Item-Schwierigkeiten erreicht werden.
In einer Untersuchung, bei der Schüler Musterergänzungsaufgaben zu bearbeiten hatten, wurden ihre aufgezeichneten Blickbewegungen analysiert und diese Ergebnisse mit ihrem Problemlöseverhalten sowie ihren geäußerten Monitoring-Aktivitäten verglichen. Es ergaben sich bemerkenswerte Zusammenhänge.
Die Ergebnisse des hier referierten Projekts finden Anwendung in einem von der Deutsche Telekom Stiftung geförderten Projekt „Mathematik Gut Unterrichten“. Ziel ist eine Qualitätssteigerung von Mathematikunterricht durch Teilhabe von Lehrkräften an Forschungen zur Unterrichtsanalyse, insbesondere zu metakognitiven und diskursiven Aktivitäten.
Projektbeginn: 2001
Projektende: 2004
Schlüsselpublikationen:
Cohors-Fresenborg, E. & Kaune, C. (2003): Mechanismen des Wirksamwerdens von Metakognition bei Verstehensprozessen im Mathematikunterricht. In L. Hefendehl-Hebeker & S. Hußmann (Hrsg.), Mathematikdidaktik zwischen Fachorientierung und Empirie, 21 - 34. Hildesheim: Franzbecker.
Sjuts, Johann (2003): Metakognition per didaktisch-sozialem Vertrag. Journal für Mathematik-Didaktik, Jahrgang 24, Heft 1, 18-40.
Brinkschmidt, S. (2005): Über die Unterschiedlichkeit kognitiver sowie metakognitiver Prozesse beim Bearbeiten von QuaDiPF-Aufgaben - Empirische Untersuchungen mit Blickbewegungsanalyse. Osnabrück: Forschungsinstitut für Mathematikdidaktik.
Kaune, C. (2006): Reflection and Metacognition in Mathematics Education - Tools for the Improvement of Teaching Quality. Zentralblatt für Didaktik der Mathematik, Jg. 38 (4), 350-360.
Cohors-Fresenborg, E. & Kaune, C. (2007): Kategoriensystem für metakognitive Aktivitäten beim schrittweise kontrollierten Argumentieren im Mathematikunterricht, 2. überarbeitete Auflage. Arbeitsbericht Nr. 44. Osnabrück: Forschungsinstitut für Mathematikdidaktik.
Cohors-Fresenborg, E. & Kaune, C. (2007): Modelling Classroom Discussions and Categorising Discursive and Metacognitive Activities. In Proceedings of CERME 5, 1180-1189.